Mit dem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit und mit der schnell fortschreitenden Technologie, gibt es mittlerweile eine Menge umweltfreundlicher und sozialer Materialinnovationen, welche die Modeindustrie und unseren Konsum nachhaltiger gestalten sollen. Natürlich gibt es unter jenen Materialinnovationen auch Stoffe, die immer noch ethische Fragen aufwerfen. Daher haben wir bei SANVT neue nachhaltige Materialien in 2022 unter die Lupe genommen und verraten dir, welche Stoffe wirklich umweltfreundlich und ethisch sind, und bei welchen wir unsere Zweifel haben.
Nachhaltige Materialien beschränken sich schon lange nicht mehr auf ungefärbte Leinenklamotten für Öko-Konsumenten. Spätestens in 2022 kann man bei nachhaltiger Mode nicht mehr von einer Nische sprechen, sondern von einer dringenden Notwendigkeit, welche die gesamte Modeindustrie revolutioniert. Daher werden nachhaltige Materialien immer mehr mit dem Gedanken des Mainstreams entworfen. Die Materialinnovationen werden immer verführerischer, ästhetischer und stylischer. Schließlich muss ein Produkt nicht nur nachhaltig, sondern auch sexy sein, um es der Masse schmackhaft zu machen.
Aber bei der Menge an neuen Stoffen und Innovationen, fragen wir uns: Welche neuen Materialien sind wirklich nachhaltig und welche dienen lediglich dem Zweck des Greenwashings? In diesem Artikel beleuchten wir neue nachhaltige Materialien kritisch und zeigen dir, welche der Stoffe wir für einen umweltbewussten Kleiderschrank empfehlen, und welche eher nicht.
Top 5 neue nachhaltige Materialien in 2022:
- “Soziales” Alpaka
- “Grünes” Wildleder
- Jersey-ähnliche Wolle
- Nachhaltige Spitze
- Öko-Denim
“Soziales” Alpaka
Fangen wir mit einem der Materialien an, das uns in den Zwiespalt bringt. „Soziales“ Alpaka (und wir setzen „sozial“ bewusst in Anführungszeichen) bezeichnet eine Initiative zwischen Progettomondo, einer italienischen gemeinnützigen Entwicklungs- und Kooperationsvereinigung, und Patrizia Maggia, Direktorin des Instituts Contemporary Metiers d’Art und Präsidentin der Agenzia Lane d’Italia. „Soziales“ Alpaka soll italienisches Fashion-Know-how mit den Fähigkeiten lokaler Handwerker in Peru vereinen. Ziel der Initiative ist es, die Kunsthandwerker bei der Entwicklung ihres eigenen Unternehmens zu unterstützen. Hört sich erst ein mal ganz gut an.
Aber trotz der Intention ein soziales Entwicklungsprojekt zu starten, ist und bleibt Alpakawolle das Ergebnis einer Qualzucht. Wie alle anderen Tiere in der Wollindustrie sind auch Alpakas nur ein Mittel, um möglichst hohe Profite zu erzielen – das Wohl und die Gesundheit der Tiere rücken dabei oft in den Hintergrund. Ähnlich wie Schafe müssten Alpakas übrigens ohne den züchterischen Eingriff des Menschen gar nicht geschoren werden. Es handelt sich also nicht um ein Nebenprodukt oder einen Gefallen, den wir dem Tier tun. Daher sind wir bei Alpaka Wolle – ob nun zum Zweck eines sozialen Projekts oder nicht – der Meinung, dass es nicht als ethisch und fair bezeichnet werden kann, wenn Tiere drunter leiden. Fair ist ein Produkt unserer Meinung nämlich erst dann, wenn es fair zu Mensch, Natur und Tier ist.
“Grünes” Wildleder
Ähnlich geht es uns mit dem Thema (Wild-)Leder. Denn wie kann ein Produkt umweltfreundlich sein, wenn es Tieren schadet? Und selbst, wenn es sich bei Leder um ein Naturprodukt handelt, das theoretisch biologisch abbaubar ist, benötigt es Unmengen an Wasser, CO2, Schwermetalle und Chemikalien zur Herstellung. Ganz zu Schweigen von den umweltschädlichen Färbeprozessen. Wir fragen uns also, kann (Wild-)Leder jemals umwelt- und tierfreundlich sein? Die Wildlederlinie Evolo von Sciarada behauptet ja! Denn das recycelte Wildleder ist das Ergebnis von acht Jahren Forschung und basiert auf dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Das Leder wird größtenteils aus regeneriertem Wildleder hergestellt, das aus Pre-Consumer-Abfällen stammt, ohne dass dem Produktionsprozess Chrom hinzugefügt wird.
Das vom Bureau Veritas zertifizierte Wildleder spart 66% des bisherigen Wasserverbrauchs, 36% der Chemikalien und halbiert dazu die Kohlendioxid-Emissionen. Und das alles bei nur 10 Produktionsschritten anstelle der 16, die für herkömmliches Wildleder erforderlich sind. Auf jeden Fall ein guter Ansatz der Kreislaufwirtschaft! Aber wir ziehen trotzdem die vielen pflanzenbasierten Lederalternativen vor, anstelle von Tierhäuten. Pilzleder zum Beispiel ist eine vielversprechende, resistente, umweltfreundliche und hochqualitative Lederalternative – ganz ohne Tierquälerei. Mehr über veganes Leder und andere biobasierte Materialinnovationen, liest du hier.
Jersey-ähnliche Wolle
Ebenso wie bei der Alpaka Wolle, ist auch Schafswolle für diejenigen, die strikt vegan leben, keine wirklich ethische Option. Aber immer mehr Menschen wählen ihren veganen Lebensstil eher aus Gründen des Klimas, als wegen des Tierwohls. Jedoch bestimmt die Herkunft der Wolle, ob das Endprodukt klimafreundlich, nachhaltig und überhaupt halbwegs ethisch ist. Und auch hier kommt die Kreislaufwirtschaft ins Spiel.
Bei der neuen Jersey-ähnlichen Wolle von dem Unternehmen Lanificio Fratelli Cerruti, sind die Woll-Garne recycelt und recycelbar, wodurch der Abfall vor und nach dem Verbrauch reduziert wird. Jersey aus recycelter Wolle benötigt zudem weniger Wasser und CO2, als Jersey aus (Bio-)Baumwolle. Wer also auf Wolle als Naturmaterial nicht verzichten möchte, ist diese Materialinnovation definitiv eine nachhaltigere Option.
Nachhaltige Spitze
Kommen wir nun aber zu einer Materialinnovation, ganz ohne tierischen Ursprung, und zwar: nachhaltige Spitze. Bisher waren Veredelungen, wie Spitze, Pailletten, Prints und Metalliceffekte nicht mit nachhaltiger Mode vereinbar. Aber wie schon erwähnt, wird nachhaltige Mode immer vielfältiger und dank nachhaltiger Spitze auch verführerischer!
Die Iluna Group, ein in Italien ansässiges Textilunternehmen, das sich auf die Herstellung von Stretch-Spitzen für die Bekleidungs- und Wäscheindustrie spezialisiert, hat neue Versionen seiner charakteristischen Spitze entwickelt, die nachhaltig und modisch sind. Für den Herbst 2022 stellt das Unternehmen auf der Première Vision Paris GRS-zertifizierte Garne vor, die Kordfäden aus Asahi Kasei Roica EF-Stretchfasern mit Pre-Consumer-Abfällen kombinieren. Zusammen mit einem recycelten, glänzenden Faden, der den Garnen Brillanz verleiht, erweitert die Mischung das Angebot an nachhaltigen Stretch-Spitzen, die bisher nur in matten Ausführungen erhältlich waren. Sexy und nachhaltig – was will man mehr?
Öko-Denim
Neben der nachhaltigen Spitze stellt auf der Première Vision Paris auch PG Denim für den Herbst 2022 Öko-Denim vor, das mit einem umweltfreundlichen Färbeverfahren hergestellt wird. Damit wird die Menge der im schwefelbasierten Prozess verwendeten Chemikalien um 40%- und der Wasserverbrauch um 50% reduziert, während die Kohlendioxidemissionen um 60% sinken. Die neue Öko-Denim-Linie ist außerdem mit GRS-zertifizierten Textilien angereichert, die 60% Pre- und Post-Consumer-Baumwollgewebe enthalten, im Gegensatz zu den durchschnittlichen 35% recycelten Bestandteilen, die man sonst in teilweise recyceltem Denim findet.
Neben Öko-Denim ist aber auch der Deadstock-Trend eine weitere nachhaltige Materialinnovation, die Denim in 2022 weiterhin nachhaltiger macht.
Nachhaltige Materialien: Fazit
Neue nachhaltige Materialien gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Aber da Nachhaltigkeit sehr facettenreich ist und es viele Differenzierungen und Unterkategorien aufweist – von klimaneutral, vegan bis hin zu sozial und fair – muss natürlich jeder Trend genauer unter die Lupe genommen werden. Denn nur wenn eine Materialinnovation fair ist, muss sie noch lange nicht umwelt- und tierfreundlich sein und andersrum genau so.
Wir freuen uns dennoch über jede positive Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit und sind gespannt, welche nachhaltigen Materialien uns im Jahr 2022 noch erwarten!