Die Geschichte von Baumwolle: Handel, Politik und Industrie

Paulina Kulczycki

Heutzutage tragen wir unsere Baumwollkleidung mit Selbstverständlichkeit. Meist ohne jegliches Bewusstsein dafür, wo und wie die Baumwolle hergestellt wird oder welche Geschichte hinter dem Textil steckt. Und während einige innovative, nachhaltige Fasern wie Lyocell erst vor ein paar Jahren entwickelt wurden, oder Kunststofffasern wie Polyester Mitte des letzten Jahrhunderts, weisen traditionelle Garne wie Baumwolle, Seide oder Leinen eine jahrtausendealte Geschichte auf. Eine Geschichte, die nicht nur die Mode beeinflusste, sondern auch politische, ökonomische, gesellschaftliche und industrielle Einwirkungen hatte. Wir bei SANVT haben uns in die Geschichte von Baumwolle eingelesen und erzählen dir, was historisch hinter einem der beliebtesten Materialien der Welt steckt.

Eine wichtige Sache, die wir zunächst begreifen müssen, ist dass Baumwolle ehemals nach Zucker und Tabak eines der ersten Luxusgüter der Welt war! Kaum vorstellbar, wenn man bedenkt, dass man heutzutage ein Fast Fashion T-Shirt aus Baumwolle für wenige Euro kaufen kann. Die Geschichte von Baumwolle ist daher die Geschichte von Handel und Industrie mit zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Hintergründen. Und während Baumwolle mittlerweile als das am weitesten verbreitete Textil weltweit gilt, gehen die Anfänge der Baumwollproduktion auf fast 4000 v. Chr. in Indien und Mexiko zurück. Das älteste Baumwollgewebe – gefunden in Huaca Prieta in Peru – wird sogar auf etwa 6000 v. Chr. datiert! In der Antike wurden Baumwollstoffe im gesamten Mittelmeerraum für den Adel gehandelt und im Mittelalter und in der Renaissance schließlich in ganz Europa.

Wie du siehst, hat Baumwolle eine ganz schön lange Geschichte hinter sich. Aber fangen wir ganz von vorn an.

 

Die Baumwolle in ihrer Wildform ist eine Malvenpflanze, die ausschließlich in tropischen Gebieten vorkommt.

Die Geschichte von Baumwolle: Von Indien nach Europa

Der Anbau von Baumwolle als Nutzpflanze hat eine jahrtausendlange Tradition in Indien. Doch erst durch die Invasion von Alexander dem Großen im Jahr 327 v. Chr. bekam Baumwolle den Status eines Luxusguts. Denn daraufhin begannen griechische und römische Kaufleute den Baumwollhandel mit Indien zu betreiben und im 1. Jahrhundert n. Chr. schlossen sich auch arabische Händler an. Und während Baumwolle bei den Griechen und Römern nur dem Adel bestimmt war, etablierten arabische Länder Baumwolle aufgrund der Funktionalität vom Luxusgut zur Alltagskleidung.

Im frühen Mittelalter entwickelten die Italiener ihre eigene Baumwollindustrie durch den Handel mit arabischen Ländern. Vor allem im Norden Italiens entstanden zwischen 1000 und 1300 n. Chr. ganze Zentralen für die Produktion von Baumwollfasern. Und was soll man sagen: Schon damals waren die Italiener für ihre modische Finesse bekannt. Denn sie kombinierten Baumwolle mit anderen Materialien, wie Wolle und Flachs, um eine große Vielfalt an Stoffen herzustellen. Am bekanntesten war ein Mischgewebe namens Fustian – ein damals innovativer Mix aus Leinen und Baumwolle. Auf diese Weise entstand ein robustes und vielseitiges Gewebe, das im Gegensatz zu dem Luxusgut von reiner Baumwolle, verhältnismäßig günstig war. Ab 1300 verbreitete sich die Baumwollproduktion schließlich in ganz Europa, blieb jedoch lange Zeit nur dem Adel und den Königen zugänglich.

Die Geschichte von Baumwolle: In Großbritannien

Im Jahr 1615 begann durch die Britische Ostindien-Kompanie die Einfuhr von bedruckten Baumwollstoffen nach Großbritannien. Da Baumwolle damals jedoch mit der britischen Wollindustrie konkurrierte, wurde das Tragen von bedruckten Textilien bis in die späten 1700er Jahre sogar verboten! In der Zwischenzeit gründeten andere Nationen ihre eigenen Handelsgesellschaften mit Indien, darunter die Französische Ostindien-Kompanie und die Niederländische Ostindien-Kompanie. Günstig bedruckte Baumwollstoffe, die aus Indien importiert wurden, waren im europäischen Markt sehr beliebt und hoch gehandelt. Kein Wunder: Schließlich waren jene Textilien weitaus farbenfroher als alles, was man zuvor in Europa gesehen hat! Ironischerweise waren es genau diese bedruckten Baumwollstoffe, die in Persien und der Türkei in jener Zeit als günstige Arbeitskleidung getragen wurden.

 

Ende des 16. Jahrhunderts, waren bedruckte Baumwollstoffe, bekannt als Chintz, in allen Qualitätsstufen in Europa erhältlich. Die teuersten Muster wurden in einem komplexen, mehrstufigen Färbeverfahren und durch Handmalerei hergestellt, wodurch kunstvolle Blumenmuster entstanden. Diese wurden zu modischen Morgenmänteln für Männer und Tageskleidern für Frauen verarbeitet. Bescheidenere und günstigere Drucke wurden mit Walzenblöcken hergestellt, die ein einfacheres, sich wiederholendes Muster ergaben. Damit kam Baumwolle langsam aus den Könighäusern und dem Adel in allen Gesellschaftsschichten an.

Bei Baumwolle gibt es zahlreiche Qualitätsunterschiede, die hauptsächlich durch die Stapellänge bestimmt werden.

Die Geschichte von Baumwolle: In Amerika

Der Grund warum Baumwolle so lange Zeit als Luxusgut galt, war die manuelle Arbeit, die mit dem Prozess verbunden war. Doch dies änderte sich allmählich, als Baumwolle Mitte der 1700er Jahre in den südlichen Kolonien Amerikas ankam. Die idealen klimatischen Bedingungen im Süden und die skandalöse Ausnutzung von Sklavenarbeitern ließen die amerikanische Baumwollindustrie zwischen 1750 und 1790 rasant wachsen. Doch erst im Jahr 1789, als der britische Ingenieur Samuel Slater in die neu gegründeten Vereinigten Staaten kam und in Massachusetts mit dem Bau der ersten wasserbetriebenen Textilfabrik begann, war der erste Schritt zur günstigen Massenproduktion von Baumwolle getan.

Wirklich profitabel wurde die Baumwollindustrie allerdings erst durch die Erfindung der Baumwollentkörnungsmaschine von Ely Whitney im Jahr 1793. Mit der Entkörnungsmaschine konnte täglich eine halbe Tonne Baumwolle für den Markt verarbeitet werden, im Gegensatz zu den 2-3 Kilogramm, die vorher mühsam von Hand sortiert wurden! Die Kombination von Slaters Textilfabriken und Whitneys Baumwollentkörnungsmaschinen, brachte die amerikanische Textilindustrie in Schwung. Bereits in den 1860er Jahren produzierte Amerika 2/3 des weltweiten Baumwollangebots. Nicht umsonst nutzte man die bekannte Redewendung "Cotton is King", um das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft in den 1830er und 1840er Jahren zu beschreiben. Doch „King Cotton“ hatte einen hohen Preis: Und zwar das Leid von Sklavenarbeit, das sich bis heute auf den Baumwollplantagen durch unfaire Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit kenntlich macht. Bis heute hat die USA übrigens die weltweite Führungsposition im Baumwollexport.

Neben den USA sind China, Usbekistan, Indien, die Türkei, Pakistan & Brasilien führende Baumwollerzeugerländer.

Baumwolle heute

Die Geschichte von Baumwolle schreibt sich bis heute mit jedem Tag weiter. Die Naturfaser hat sich mittlerweile zum beliebtesten und am weitesten verbreiteten Textil weltweit entwickelt. Ob für Kleidung, Heimtextilien, Bettwäsche oder Kosmetik und Hygieneartikel: Baumwolle ist multifunktional und theoretisch biologisch abbaubar. Natürlich gibt es auch heute noch Qualitätsunterschiede, die hauptsächlich anhand der Faserlänge bestimmt werden. Je länger die Stapellänge und je kleiner der Faserdurchmesser, desto fester, weicher und hochqualitativer die Baumwolle. Ägyptische Baumwolle und Pima-Baumwolle zum Beispiel sind zwei Sorten, die für ihre Stapellänge und luxuriöse Weichheit bekannt sind. Ägyptische Baumwolle wird dabei häufig für feine Bettwäsche verwendet, während Pima-Baumwolle für Premium T-Shirts beliebt ist.

Mehr dazu, warum Baumwolle so beliebt ist, erfährt du übrigens hier.

Fazit

Nach unserer kleinen Geschichtsstunde hoffen wir, dass wir eine größere Wertschätzung für die damals luxuriöse Naturfaser der Baumwolle schaffen konnten. Immerhin ist Baumwolle viel mehr, als nur ein weicher Stoff, der unseren Körper umschmeichelt. Es ist ein Stück Geschichte! Und um sicherzustellen, dass du Baumwolle aus ethischem Ursprung kaufst, empfehlen wir dir fair produzierte Bio-Baumwolle zu wählen. Am Besten GOTS-zertifiziert!

Welche Vorteile Bio-Baumwolle bringt, erfährst du hier