SANVT PORTRAITS NO.04

Cedric Lluc

Ein Athlet mit einer tiefen Leidenschaft für das Klettern - Cédric Lluc ist seit seiner Kindheit im Profi-Sport aktiv. Sein Werdegang ist von Disziplin, Durchhaltevermögen und dem unermüdlichen Streben nach Verbesserung geprägt. Während er sich derzeit auf seine Rückkehr in die internationale Wettkampfszene vorbereitet, liegt sein Fokus darauf, persönliche Grenzen zu überschreiten und seine mentale und physische Leistungsfähigkeit zu optimieren. Wir haben uns mit Cédric zusammengesetzt, um über seine Karriere, vergangene Herausforderungen und seine Ziele für die Zukunft zu sprechen.


Photography by Jan Luengo

 

Wie lange kletterst du schon und wie hast du mit dem Sport angefangen?

 

Ich habe mit dem Klettern im Alter von 9 Jahren angefangen, als meine Eltern mich für ein Sommercamp in einem Kletterzentrum anmeldeten. Sie merkten schnell, wie viel Spaß mir das machte. Kurz darauf wurde eine Kletterhalle in unserer Nähe eröffnet und ich trat dem Kletterverein dort bei - das war der Beginn meiner Reise in den wettkampforientierten Klettersport.

 

Kurz darauf nahm ich an einem Wettkampf des Catalan Cup in meinem Gym teil – obwohl ich damals noch nicht einmal ein Jahr lang kletterte. Man riet mir, einen anderen Teilnehmer zu imitieren – leider nicht den stärksten –, was dazu führte, dass ich Letzter wurde. Doch statt mich entmutigen zu lassen, sah ich es als Chance zur Verbesserung. Meine Eltern engagierten einen Trainer – einen der besten, die ich je hatte – der mich hart trainierte und meine frühe Karriere entscheidend prägte. Mein erstes Ziel? Beim nächsten Wettkampf nur nicht mehr als Letzter abzuschneiden.

 

Ein weiterer Sport, der großen Einfluss auf mich hatte, war Taekwondo. Im Alter von drei Jahren fing ich an zu trainieren und trat bald einem Gym bei, um mein Training zu intensivieren. Mein Trainer hatte enormen Einfluss auf mich und lehrte mich Disziplin und richtiges Training. Mit sechs Jahren begann ich bei Wettkämpfen anzutreten, bei denen das Mindestalter für die Teilnahme sieben war. Mein Trainer fand ein Schlupfloch, dass es mir ermöglichte früher anzutreten. Ich setzte das Taekwondo-Training bis zu meinem 14. Lebensjahr fort und gewann schließlich eine Goldmedaille bei der Europameisterschaft in Portugal.

 

Gelegentlich nahm ich an Trailrunning- und Mountainbiking-Wettbewerben teil, vor allem zur Unterstützung meines Taekwondo-Trainings. Beim Catalan Cup startete ich jedoch nur in wenigen Rennen.  

 

Bevor du zum Klettern gewechselt bist, warst du im Taekwondo auf Profi-Niveau. Wie kam es dazu, dass du dich in so jungen Jahren für diesen Wechsel entschieden hast? Gab es einen bestimmten Moment, der den Ausschlag gegeben hat?

 

Ich musste diese Entscheidung treffen, während ich in beiden Sportarten auf Wettkampfniveau aktiv war. Es war eine Wahl zwischen dem Sport, der mich den Großteil meines Lebens begleitet hatte und dem, den ich gerade erst für mich entdeckt hatte.

 

Letztendlich brachte mich der Rücktritt meines langjährigen Taekwondo-Trainers dazu, mich fürs Klettern zu entscheiden. Er hatte mich seit meinem dritten Lebensjahr trainiert, und als ein jüngerer, unerfahrenerer Trainer übernahm, ließ die Qualität des Trainings nach. Das war der entscheidende Anstoß.  

 

Es war eine schwierige Entscheidung, aber das Leben besteht daraus, neue Türen zu öffnen und andere zu schließen. Klettern zu wählen, bedeutete, Taekwondo loszulassen - einen Sport, der mich über Jahre hinweg geprägt hatte. Rückblickend hätte mein Leben eine völlig andere Richtung nehmen können. Doch genau das macht es so spannend: Unsere Entscheidungen formen uns zu den Menschen, die wir sind.

 

Schon in jungen Jahren bist du international für das deutsche Team geklettert und hast beeindruckende Wettkampferfolge gefeiert. Welche Momente aus dieser Zeit sind dir besonders in Erinnerung geblieben?  

 

Es war eine unvergessliche Erfahrung, aber am meisten schätzte ich die Möglichkeit, durch Europa zu reisen und Gleichgesinnte in meinem Alter kennenzulernen. In nur einer Saison besuchte ich über 14 Länder.

 

Für Deutschland anzutreten – ein Land, in dem ich weder geboren noch aufgewachsen bin – hat mich dazu bewegt, über mich hinaus zu wachsen. Obwohl ich in Spanien geboren und aufgewachsen bin, ermöglichten es mir meine deutschen Eltern, für das deutsche Team zu starten. Zu der Zeit sprach ich kaum Deutsch und musste mich auf Englisch verständigen. Gleichzeitig musste ich mich daran gewöhnen, lange von meiner Familie getrennt zu sein.

 

Einer meiner stolzesten Momente war es, bei der Europameisterschaft in Sofia und Budapest den dritten Platz zu erreichen. Am Abend feierten wir das Saisonende, doch was mir am meisten bedeutete, war der Moment, als ich zu meinen Eltern zurückkehrte und ihre unglaubliche Freude und ihren Stolz spürte. Dieser Wettbewerb bleibt für mich unvergesslich.

 

Die administrativen und nationalitätsbedingten Herausforderungen in den letzten vier Jahren waren sicher nicht einfach. Wie ist es dir gelungen, in dieser Zeit motiviert und fokussiert zu bleiben? Und welche Erkenntnisse hast du aus den Erfahrungen mitgenommen?  

 

Zum Teil war das meine Entscheidung. Als deutscher Athlet hatte ich ein vierjähriges Olympiastipendium, aber mein Studium hatte stets Vorrang. In Deutschland können Elite-Athleten fast jedes Studienfach mit einer guten Note (5,0) beginnen, mit Ausnahme von Gesundheitsberufen, die eine vollständige Zulassungsprüfung erfordern. Da ich Psychologie oder Veterinärmedizin studieren wollte, musste ich also die regulären Aufnahmeprüfungen ablegen.

 

Das bedeutete, dass ich mit 16 Jahren nach Deutschland zog, ohne die Sprache fließend zu sprechen. Ich fand einen Minijob, um meine Ausgaben über das Stipendium hinaus zu decken, und bereitete mich in Deutsch auf meine Prüfungen vor. In Spanien war bereits alles für mein Studium vorbereitet, und ich hätte vermutlich problemlos zugelassen werden können. Doch ich entschied mich, mein Studium in Deutschland zu priorisieren und lehnte das Olympiastipendium ab.

 

Kurz darauf kam COVID-19 - Wettbewerbe wurden abgesagt und ich konnte nicht nach Deutschland reisen, um die nötigen Punkte für meine Qualifikation zu sammeln. So begann der Prozess, ins spanische Nationalteam zu wechseln, um fortan für Spanien antreten zu können.

 

Der Wechsel bedeutete, dass ich das deutsche Team für mindestens zwei Jahre verlassen musste, bevor ich für ein anderes Land antreten durfte. Die Bürokratie zog sich über drei Jahre hin, was bedeutet, dass diese Saison die erste in vier Jahren ist, in der ich wieder für ein Nationalteam antreten kann.

 

Du hast dir das Ziel gesetzt, an den Olympischen Spielen 2028 teilzunehmen. Wie gestaltet sich dein Training und deine Vorbereitung, um dieses Ziel zu erreichen?  

 

Klettern ist in Bezug auf das Training komplex und erfordert eine Mischung aus Fähigkeiten in drei Disziplinen: Lead, Bouldern und Speed. Da das olympische Format noch nicht endgültig festgelegt ist, bleibt mein Trainingsplan flexibel – ob Lead und Bouldern kombiniert oder getrennt von Speed stattfinden, ist noch offen.

 

Mein Fokus liegt auf der Qualifikation für die Olympischen Spiele, beginnend mit starken Ergebnissen bei den spanischen Meisterschaften und einer nationalen Auswahlveranstaltung. Danach gilt es, sich einen Platz bei den Europameisterschaften zu sichern. Dabei ist es entscheidend, mindestens das Finale zu erreichen, um einen Platz bei den Weltmeisterschaften 2027 zu ergattern.

 

Ich trainiere sechs Mal pro Woche, mit jeweils 3-4 Stunden pro Klettersession, und ergänze das durch eine Einheit für physische Kondition. Mein Zeitplan variiert je nach Wettbewerbssaison: während der Lead-Saison priorisiere ich Ausdauer mit vier Lead-Sessions und zwei Bouldering-Sessions, während ich in der Bouldering-Saison das Verhältnis umkehre.

 

Da die olympische Qualifikation auf dem Spiel steht und das Wettbewerbsformat noch unklar ist, bleibt mein Training flexibel, um mich auf alle Szenarien vorzubereiten.  

 

Du hast erwähnt, dass du in Zukunft deine Leidenschaft für Sport und Psychologie kombinieren möchtest. Wie stellst du dir vor, anderen Hochleistungs-Athlet:innen zu helfen, ihr volles Potenzial sowohl mental als auch physisch zu entfalten?  

 

Der Wettkampf auf hohem Niveau hat mir gezeigt, dass mentale Stärke genauso wichtig ist wie körperliche Fähigkeit. Viele Athlet:innen verfügen über außergewöhnliche technische Fertigkeiten, aber was die Besten wirklich auszeichnet, ist ihre Einstellung – wie sie mit Druck, Rückschlägen und entscheidenden Momenten umgehen.

 

Sportpsychologie ist ein wesentlicher Bestandteil des Hochleistungssports und ich möchte meine persönlichen Erfahrungen und mein akademisches Wissen nutzen, um Athlet:innen zu helfen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Mein Ziel ist es, mentale Strategien mit physischem Training zu kombinieren, um einen ganzheitlichen Leistungsansatz zu schaffen.
Die Bewältigung von Stress und Angst im Wettkampf ist entscheidend. Techniken wie kontrolliertes Atmen, Visualisierung und Fokustraining können einen erheblichen Einfluss haben. Resilienz – die Fähigkeit, Rückschläge in Wachstumschancen umzuwandeln – ist ein weiteres Schlüsselmerkmal des Erfolgs.

 

Über den Wettkampf hinaus ist die mentale Vorbereitung für die langfristige Entwicklung entscheidend. Realistische Ziele zu setzen, ermöglicht stetige Fortschritte, ohne auszubrennen. Die Balance zwischen Hochleistungssport und Privatleben ist eine weitere Herausforderung, aber sie zu finden, ist entscheidend für eine langlebige Karriere. 

 

Letztlich geht es bei meinem Ansatz nicht nur um sportlichen Erfolg – ich möchte Athlet:innen helfen, sowohl mental als auch physisch zu gedeihen. Sport ist mehr als nur Wettbewerb; es ist eine persönliche Reise, und mein Ziel ist es, Athlet:innen zu unterstützen, als Wettkämpfer:innen und als Individuen zu wachsen.

Klettern erfordert sowohl körperliche als auch mentale Stärke. Wie bereitest du dich mental auf eine herausfordernde Klettertour vor und mit welcher Einstellung startest du? 

 

Klettern erfordert sowohl körperliche Stärke als auch mentale Belastbarkeit. Sich auf eine schwierige Route vorzubereiten bedeutet nicht nur, den Körper zu trainieren – es geht auch darum, Vertrauen, Fokus und Anpassungsfähigkeit zu entwickeln.

 

Vor dem Klettern nutze ich Visualisierung, indem ich jede Bewegung im Kopf durchgehe, Fehler antizipiere und den Fluss der Sequenz fühle. Das verringert Unsicherheit und schafft Vertrautheit mit der Route. Atemkontrolle ist ebenfalls entscheidend – tiefes Atmen vor dem Start hilft mir, ruhig zu bleiben, während gleichmäßiges Atmen während des Kletterns Anspannung vermindert und mich fokussiert hält.

 

Sobald ich an der Kletterwand bin, konzentriere ich mich vollkommen auf den Moment. Zweifel und Überdenken können einen leicht aus dem Konzept bringen, daher liegt mein Fokus darauf, mich anzupassen. Wenn eine Bewegung nicht wie geplant verläuft, passe ich mich an, anstatt frustriert zu werden. Die Angst vor dem Fallen oder Scheitern ist immer präsent, aber ich lasse sie nicht meine Handlungen bestimmen. Vertrauen bedeutet nicht, furchtlos zu sein – es geht darum, trotz der Angst zu handeln.

 

Letztlich ist Klettern genauso eine mentale Herausforderung wie eine körperliche. Visualisierung, Atemkontrolle, Fokus und Durchhaltevermögen helfen mir, Misserfolge als Teil des Prozesses zu akzeptieren und Vertrauen in meine Vorbereitung zu haben. An der Wand besteht die wahre Prüfung darin, sich anzupassen und an sich selbst zu glauben.  

 

Barcelona hat eine lebendige Klettergemeinschaft und beeindruckende Outdoor-Routen. Wie hat die Stadt und ihre Kletterkultur deine Entwicklung als Athlet beeinflusst?  

 

Barcelona war entscheidend für meine Entwicklung als Athlet und bietet sowohl eine starke Gemeinschaft als auch eine Weltklasse-Mischung aus Innen- und Außenklettern.

 

Die Kletterhallen der Stadt bieten eine hochklassige Trainingsumgebung, in der ich von talentierten Kletterern umgeben bin, die mich stets anspornen, mich zu verbessern. Doch was meine Entwicklung wirklich geprägt hat, ist die Nähe zu den beeindruckenden Outdoor-Routen in Katalonien. Gebirgsketten wie Montserrat und Siurana stellen Athlet:innen sowohl technische als auch mentale Herausforderungen.

 

Das Beste an Barcelona ist die große Vielfalt an Klettermöglichkeiten - von Bouldern bis hin zu langen Routen. Diese Vielfalt ermöglicht es mir, an verschiedenen Aspekten meiner Technik wie Ausdauer, Präzision und Kraft zu arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass diese Stadt, mit all ihren Angeboten und ihrer Kultur, sowohl für mich als auch für andere Athlet:innen ideal ist, um zu wachsen.  

Es ist erstaunlich, wie dynamisch und international die Kletter-Community hier ist. Wir trainieren und konkurrieren miteinander, und das fördert nicht nur die persönliche Entwicklung, sondern auch die gesamte Kletterszene.

 

Sich für das Klettern zu entscheiden, bedeutete, Taekwondo loszulassen – eine Sportart, die mich jahrelang geprägt hatte. Rückblickend hätte mein Leben einen ganz anderen Weg nehmen können. Aber das macht es ja so spannend: Die Entscheidungen, die wir treffen, bestimmen, zu wem wir werden.